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15. März 2023Ein Herzensprojekt mit einer neuen Definition von Arbeit
Zusammen mit Patrik Kühnen arbeite ich an einem Projekt für die Tennis-Community. Dabei habe ich mich auch mit der Definition von Arbeit beschäftigt.
Als Patrik Kühnen 1993 zum dritten Mal mit Deutschland im Davis Cup triumphierte, war ich acht Jahre alt. Ich erinnere mich, wie ich stundenlang fasziniert vor dem Fernseher hockte und kaum einen Ballwechsel verpasste. Tennis entwickelte sich mit jedem Tag mehr zum Nabel meiner Welt. Das große Finale gegen Australien war so etwas wie mein Rettungsanker in einer schwierigen Zeit, in der ich den plötzlichen Tod meiner geliebten Großmutter verarbeiten musste. Sie war es, die mich zwei, drei Jahre zuvor mit ihrer Liebe zum Tennis angesteckt hatte. Vielleicht sind auch deshalb die Erinnerungen heute, fast 30 Jahre später, noch immer so klar, als wären erst ein paar Monate vergangen.

Als der Sieg in der Düsseldorfer Messehalle feststand, einen Tag nachdem Patrik zusammen mit Michael Stich ein unvergessenes Doppel gegen die „Woodies“, Mark Woodforde und Todd Woodbridge, gewonnen hatte, wäre ich am liebsten sofort auf irgendeinen Court gestürmt, um Bälle zu schlagen. So spontan jedoch funktionierte das nicht, ohnehin hätte vermutlich kein Kumpel an einem Sonntagabend mit mir spielen können. Also lief ich in den Garten und donnerte Aufschläge in die Büsche. Ein Ball und mein Schläger reichten für meine Glückseligkeit. Wenn ich heute meine Augen schließe und die Bilder von einst wie einen Kurzfilm in meinen Gedanken ablaufen lasse, kann ich das gleiche Gefühl noch immer spüren. Der Tennisplatz ist auch drei Jahrzehnte später noch der beste Ort für mich, um alles auszublenden, was mir nicht guttut und für eine Weile in eine andere Welt einzutauchen, in der nichts zählt, außer meiner Freude am Spiel.
Ein Projekt für die Tennis-Community
Vielleicht ist diese Perspektive auf unseren Sport die faszinierendste Gemeinsamkeit, die ich mit einem dreifachen Davis-Cup-Champion haben kann. Inzwischen sind Patrik und ich nicht nur Freunde geworden, wir arbeiten auch zusammen und verbringen seit zwei Jahren viel Zeit miteinander – auf dem Tennisplatz, im Büro, auf Fuerteventura, und sehr oft in Video-Calls und am Telefon. Eine wunderbare Synchronizität des Lebens, finde ich. Gemeinsam werkeln wir also an einem Herzensprojekt – für die Tennis-Community, zu der wir beide gehören und die unsere Leben so unterschiedlich und doch so ähnlich geprägt hat. Auf der einen Seite den ehemaligen Profi, der neben seinen Davis-Cup-Erfolgen auch im Viertelfinale von Wimbledon stand (1988) und viele große Stars besiegt hat – Andre Agassi, Jimmy Connors, Ivan Lendl, Mats Wilander und so weiter. Auf der anderen Seite den leidenschaftlichen Freizeitspieler, der die Tour zwar aus verschiedenen Positionen im Medienbereich kennt und als aktiver Spieler selbst jahrelang von einem zum nächsten Turnier tingelte, aber von Weltranglistenpunkten und Preisgeldern so weit entfernt geblieben ist wie Paris von Melbourne.

Selbstverwirklichung als Antrieb
Was ich in den vergangenen zwei Jahren wieder einmal festgestellt habe: Je mehr Zeit ich auf eine erfüllende und freudvolle Weise verbringe, mit Menschen, die ähnlich denken und fühlen wie ich, je mehr ich mich mit Aufgaben und Projekten beschäftige, mit denen ich mich selbst, meine Werte und Überzeugungen verwirklichen kann, desto weniger bin ich bereit, das Gegenteil in Kauf zu nehmen – Leidenschaft und Selbstverwirklichung können starke Antriebe sein, das habe ich in meinem (Berufs-)leben glücklicherweise schon oft erfahren dürfen. Tim Gallwey formuliert es in seinem Buch Inner Game Coaching sehr ähnlich: „Je mehr ich mich, meine Zeit und mein Leben schätze, desto weniger werde ich mir erlauben, im Zustand von Stress und Leid zu arbeiten.”
Eine neue Definition von Arbeit
Eine Entscheidung, die das Leben auf den Kopf stellen kann, weil sie die klassische und in der Gesellschaft tief verwurzelte Definition von Arbeit verändert – weg von der weit verbreiteten Vorstellung, Arbeit wäre vor allem Pflichterfüllung und etwas, was wohl oder übel getan werden muss, um zum einen Geld und gleichzeitig Anerkennung und Respekt zu verdienen. Stattdessen hin zu einer neuen Bedeutung, die geprägt ist von wahrer Freude, wertvollen Lernerfahrungen und Sinnhaftigkeit – während genügend Geld und andere angenehme Nebeneffekte auf natürliche Weise folgen dürfen. Eines ist gewiss: Das ganze Leben wird bestimmt von Definitionen, die uns bereits in frühen Jahren vermittelt werden und die unseren Blick auf die Welt entscheidend prägen. Was jedoch ebenfalls unstrittig ist: Mit der nötigen Klarheit, dem Willen zur Veränderung und ein wenig Mut, lässt sich jede Begrifflichkeit den eigenen wahren Bedürfnissen entsprechend neu definieren. So kann mit der Zeit eine andere Realität entstehen.
Ende Januar habe ich Patrik wieder einmal in München getroffen. Endspurt zur Fertigstellung unseres ersten Projekts. Im April ist es soweit – dann geht‘s raus in die Welt. Beim Gedanken daran kribbelt es. Der Weg wird mir fehlen, das weiß ich jetzt schon. Auch das ist eine wichtige Erkenntnis. Das Schöne ist: Es ist nur der Anfang…

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