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2. August 2021Der Meister des inneren Spiels – welches Mindset Novak Djokovic so stark macht
Novak Djokovic jagt Rekorde. Der beste Tennisspieler der Welt scheint in den größten Matches derzeit unschlagbar zu sein. Der Schlüssel für seine Erfolge ist sein Mindset. Djokovic beherrscht das innere Spiel wie kein anderer.
Einmal so denken und fühlen zu können wie Novak Djokovic, das wär‘s. Sich nur für ein einziges Tennismatch sein Mindset ausleihen zu können, um zwei Sätze lang selbst erfahren zu dürfen, wie dieser Mann funktioniert. Zu erleben, wie er sein Gedankengewimmel stoppt, das er genauso kennen muss wie jeder andere Mensch auf diesem Planeten. Zu spüren, wie er sich fühlt, wenn er zu straucheln droht und trotzdem auf Gegner und Zuschauer eine Unbesiegbarkeit ausstrahlt.

Novak Djokovic ist der beste Tennisspieler auf dem Globus. Keiner war länger die Nummer eins der Welt (aktuell Woche Nr. 328). Im September könnte er mit einem Triumph bei den US Open das Kunststück schaffen, was zuletzt der australischen Legende Rod Laver 1969 glückte – der Sieg bei allen vier Grand Slam-Turnieren in einer Saison. Djokovic, da sind sich fast alle Experten einig, ist der kompletteste Spieler, den dieser wunderbare Sport jemals erlebt hat. Was ihn abhebt von der Konkurrenz, ist sein inneres Spiel. Manchmal scheint es, er habe perfektioniert, was sich nicht perfektionieren lässt. Nach seinem Wimbledon-Triumph am vergangenen Sonntag, Grand Slam-Titel Nummer 20, gab er zu Protokoll: „Die Gedanken immer wieder auf den gegenwärtigen Moment zu richten, ist eine konstante Arbeit.“
Novak Djokovic und sein Mindset – Schlüssel zum Erfolg
Diese Arbeit dürfte der entscheidende Schlüssel sein zu seinen Rekorden. Die wertvollste Fähigkeit in seinem prall gefüllten Stärken-Portfolio, das Djokovic manchmal übermenschlich erscheinen lässt. Wie eine unbesiegbare Figur auf der Playstation, die am Ende immer noch ein Level höher schalten kann. Auch dann, wenn es absurd und außerweltlich erscheint. Wenn er in den wichtigsten Momenten eines Matches seine präzisesten Schläge an die Linien zirkelt, selbstbewusst wie ein Krieger über den Platz schreitet, sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe tippt, dann scheint es, als müsse sich sogar Djokovic gelegentlich noch daran erinnern, an seine eigene Stärke zu glauben. Obwohl an die Stelle des Glaubens inzwischen längst eine betonierte Gewissheit gerückt sein müsste. Gewissheit darüber, wenn’s drauf ankommt besser Tennis spielen zu können als alle anderen knapp 7,9 Milliarden Menschen auf der Welt.

Was kann man vom Mindset dieses Champions für das eigene Leben lernen?
1) Fokussierung ist alles
Die wichtigste Erkenntnis, weil sie die Basis ist für alle weiteren: Ein ruhiger Geist lässt Zweifeln keinen Raum. Je länger wir unsere Gedanken jedoch schweifen lassen, desto mehr neigen sie zu Ängsten, Vergleichen und Verurteilungen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob man sich auf einen Tennisball konzentriert oder bei einem Meeting auf seinen Gesprächspartner, auf eine Präsentation, auf das Autofahren, auf handwerkliche oder sonstige Tätigkeiten. Die Gleichung ist simpel und sie gilt auf dem Centre Court von Wimbledon genauso wie auf jedem Acker in Kyritz an der Knatter und in allen anderen Lebenslagen: Je fokussierter die Aufmerksamkeit, desto weniger Selbst-Störungen und desto besser die Leistungen. Oder die Kurzform aus dem Inner Game von Timothy Gallwey: Performance = Potenzial – Störungen.
2) Aufgegeben ist keine Möglichkeit
Thomas Muster sagte einst: „Aufgegeben wird nur ein Brief!” Das Zitat würde auch zu Djokovic passen. Wer behauptet, dass das Leben immer einfach sein muss? Ich glaube zwar grundsätzlich fest an den Weg der Leichtigkeit. Aber ich habe auch erfahren dürfen, dass es herausfordernd und manchmal langwierig sein kann, diesen Weg zu finden. Und dass schwierige Zeiten, Schmerzen, Zweifel und unüberwindbar wirkende Hindernisse genauso zum Leben gehören. Was sicher ist: Unsere Zeit auf diesem Planeten verstreicht, so oder so. Ob wir sie dafür nutzen, unsere Träume zu erforschen und ihnen beharrlich zu folgen. Immer dranzubleiben, wie stark der Gegenwind und wie dicht der Nebel auch sein mögen. Oder ob wir unsere Lebenszeit für andere Dinge vergeuden, die uns weit weniger bedeuten, berühren, begeistern, dafür aber einfacher erscheinen: Welchen Weg wir wählen, ist in jedem Moment die eigene Entscheidung (zum Thema „Entscheidungen“ später mehr).
Djokovic hat – wie viele andere Top-Sportler genauso – immer weitergemacht. Er hat Krisen überstanden, kleine und große. Auch er hätte auf seinem Weg aufgeben und sich in die Komfortzone verkrümeln können. Doch er hat er sich immer wieder aufs Neue für die Extra-Meile entschieden, um seine eigenen Grenzen zu verschieben. Nicht einmal, nicht zweimal nicht dreimal. Sondern jeden Tag wieder. Das größte persönliche Wachstum entsteht, wenn der Geist nach Aufgabe schreit, das Herz aber weitermachen will.
3) Zielklarheit entwickeln
Die Geschichte des 7-jährigen Steppkes, der davon träumte, eines Tages die Nummer eins der Welt zu werden, ist oft geschrieben worden. Im zerbombten Belgrad phantasierte er von einem Leben auf der großen Tour. Er wurde dafür belächelt, manche haben ihn verspottet. Ein Kind aus einem Kriegsgebiet sollte zum besten Tennisspieler der Welt reifen? Welch’ eine absurde Idee! Der Knackpunkt im positiven Sinne: Dem kleinen „Nole“ war das „Wie“ egal. Er machte intuitiv richtig, was Erwachsenen oft so schwerfällt: den Zweiflern kein Gehör schenken und dadurch auch den eigenen Stimmen im Kopf weniger Platz zur Entfaltung bieten. Stattdessen immer wieder das große Ziel visualisieren. Sich mit ihm verbinden, wie es so schön heißt. Und es zu einer Lebensaufgabe erklären.
Worüber sich Djokovic schon in jungen Jahren im Klaren war, zumindest erzählt er es so: Seine Bereitschaft, alles Erdenkliche für seinen Traum zu investieren und sein Leben diesem einen gewaltigen Ziel unterzuordnen, war beinah grenzenlos. Sein Traum war größer als der Berg sämtlicher Steine, die auf seinem Weg lagen. Schon vor einigen Jahren sagte Djokovic einmal: „Erfolg entsteht nicht über Nacht. Er ist das Ergebnis von vielen, vielen, vielen Jahren, in denen man hart arbeitet und alles gibt, um seine Ziele zu erreichen.“ Die Voraussetzung dafür: Man muss wissen, was man aus tiefstem Herzen erreichen will.

4) Klare Entscheidungen treffen
Tennisspieler lernen früh, was es bedeutet, Verantwortung für die eigenen Entscheidungen zu übernehmen. Und was passiert, wenn diese von Unsicherheiten und Zweifeln begleitet werden. Jeder einzelne Schlag ist mit einer Entscheidung verbunden – wie, wohin und mit welchem Tempo ich den Ball spielen möchte. In jedem Moment des Matches hat der Spieler die Wahlfreiheit, seine Taktik entweder beizubehalten oder zu verändern. Auch in der Match-Vorbereitung werden eine Reihe von Entscheidungen getroffen. Und sogar die eigenen Gedanken sind wählbar und unterliegen deshalb – so bizarr es klingen mag – unserer persönlichen Entscheidung. Je klarer und intuitiver die Entscheidungen eines Spielers, desto natürlicher ist sein Spielfluss. „Es gab Zeiten, in denen ich nicht verantwortungsbewusst und entscheidungsfreudig genug war. Meistens lief es in diesen Phasen auf dem Platz nicht so gut“, erzählte Djokovic einmal.
Das Treffen von Entscheidungen gehört zu den wichtigsten Disziplinen des Lebens. Oft sind es die kleinen Entscheidungen des Alltags, die große Auswirkungen haben können auf unser Leben. Zum Beispiel die Entscheidung zu treffen, ab morgen täglich eine halbe Stunde Sport zu machen. Weniger Fleisch zu verzehren. Endlich wieder den Menschen anzurufen, von dem man ewig nichts gehört hat. Ein Seminar zu buchen, das spannend klingt. Klar ist: Wer lernt, scheinbar kleine Entscheidungen mit Leichtigkeit und Klarheit zu treffen, hat es bei größeren Entscheidungen einfacher.
5) Herausforderungen lieben statt fürchten
Oft haben wir im Leben Angst vor großen Aufgaben. Wir sorgen uns vor dem Scheitern, weil wir die damit verbundenen Bewertungen fürchten. Nicht nur Djokovic, auch Roger Federer und Rafael Nadal betonen gern: Ihre Rivalität spornt sie immer wieder zu Höchstleistungen an. Keiner der drei Ausnahmespieler wäre so erfolgreich ohne die beiden anderen. Jeder will immer gewinnen, keine Frage. Aber: Sie lieben alle diese brutale Herausforderung, die mit ihren epischen Duellen verbunden ist. Immer wieder den eigenen Leistungszenit auszuloten und an der Stärke des Gegners selbst weiter zu wachsen. Lösungen zu finden für scheinbar unlösbare Aufgaben. Das Unmögliche zu versuchen und dabei Leidenschaft statt Frust zu empfinden. Wie Surfer, die sich immer wieder der größtmöglichen Welle stellen, um sie eines Tages erfolgreich zu reiten. Druck unter dem andere zusammenbrechen würden, lässt diese Athleten physisch und psychisch noch robuster werden. Die Freude am Wettkampf treibt sie an – zu immer neuen Höchstleistungen.

6) Freude als Priorität
Apropos Freude, sie ist wahrscheinlich die wichtigste Botschaft. Die Besten aller Bereiche beweisen immer wieder: Die Freude muss niemals geopfert werden, um Spitzenleistungen zu erzielen. Weder im Sport noch in sämtlichen Branchen unserer Arbeitswelt. Im Gegenteil: Freude ist die Voraussetzung für langfristigen Erfolg. Wir sind zu besseren Leistungen imstande, wenn uns das, was wir tun, mit Freude erfüllt. Umgekehrt gilt: Geht die Freude verloren, muss – zumindest langfristig! – die Leistung leiden. Bewertungen und Verurteilungen bauen Druck auf. Ein Kreislauf entsteht.
Freude gehört zu den größten Preisen, die es im Leben zu gewinnen gibt – neben Mitgefühl, Liebe und Dankbarkeit dafür, am Leben zu sein. Freude wiegt mehr als jede Trophäensammlung. Doch wenn wir genießen, was wir tun und wenn uns jeder kleine Schritt mit Begeisterung erfüllt, steigt automatisch die Wahrscheinlichkeit großartiger Resultate.
7) „Alles im Leben ist eine Lehre”
Ein Zitat von Djokovic. Die Weisheit des ganzen Lebens in sechs Worten. Das Leben als eine ständige Fortbildung zu betrachten und die eigenen Erfahrungen als Lehrer, lässt neue Perspektiven entstehen. Schmerzliche Niederlagen – auf und neben dem Tennisplatz – bekommen einen Sinn. Wer Erwartungen loslässt und als Lernender durch das Leben geht, eröffnet sich selbst in jedem Moment die Chance, Neues zu erfahren. Nicht alles wird gefallen. Manchmal muss man gegen verschlossene Türen rennen, einmal und noch einmal. Um dann irgendwann die Botschaft zu verstehen und plötzlich ein geöffnetes Fenster zu finden. Die Rolle des scheinbar Alleswissenden zu verlassen, verlangt Mut. Weil man die eigene Kontrolle aufgeben und sich der Ungewissheit hingeben muss. Gleichzeitig aber entsteht die Möglichkeit, das Leben in einer anderen Intensität zu erfahren.
Respekt und Bewunderung
Man muss Novak Djokovic nicht sympathisch finden. Sein Verhalten auf dem Court wirkt manchmal martialisch und im nächsten Moment seltsam unnahbar. Seine Meinungen polarisieren, dabei ist er zwar oft unterhaltsam, aber nicht immer diplomatisch. Gesten der Herzlichkeit erscheinen seinen Kritikern zuweilen unnatürlich gewollt. Deshalb könnte Djokovic wohl 30 Grand Slam-Turniere gewinnen und sämtliche Rekorde brechen – er würde trotzdem nicht die Anerkennung und die Liebe erfahren, die Millionen Fans in der Welt Roger Federer und Rafael Nadal entgegenbringen. Und dennoch verdient er größte Bewunderung und maximalen Respekt für seine außergewöhnlichen Leistungen. Er ist ein Champion – im äußeren und im inneren Spiel.
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[…] Meister des inneren Spiels: Welches Mindset Novak Djokovic so erfolgreich macht […]
[…] Meister des inneren Spiels: Welches Mindset Novak Djokovic so erfolgreich macht […]
[…] Djokovics größte Stärke – seine Fähigkeit sich zu fokussieren wie kein anderer – wurde ausgerechnet im wichtigsten Match zu seiner größten Schwäche. Er hat offenbart, dass […]
[…] gibt ein Zitat von Novak Djokovic, das nicht treffender beschreiben könnte, was Achtsamkeit beim Tennis bewirken kann. Es geht so: […]