Über den Umgang mit der Stimme im Kopf
31. Oktober 2020Arschbombe in den Fluss des Lebens
Über den Zauber des Neuanfangs. Und welche Fragen hilfreich sind, um das eigene Leben zu reflektieren.
Einfach mal anfangen. Der erste Beitrag muss unter die Leute. Damit geht endlich auch meine Website online, an der ich in den vergangenen Wochen viel gewerkelt habe. Seit etwas mehr als eineinhalb Jahren arbeite ich nun selbstständig. Eine aufregende und intensive Zeit, in der ich eine große Bandbreite an Gefühlen erleben durfte. Zwischenzeitlich hatte ich meinen neuen Weg kurz für eine Position in einer großen Agentur verlassen. Ein holpriger Abstecher, der sich schnell als Umweg herausstellte, für den ich aber rückblickend Dankbarkeit empfinde – weil er mich ortskundiger gemacht und mich näher zu mir selbst gebracht hat.
Einen Internetauftritt brauchte ich bisher nicht. Fast alle Projekte und Aufträge haben sich über mein Netzwerk ergeben – als Journalist, als Berater für Medien und Kommunikation und als Coach. Warum nun auf einmal doch eine Seite? Zum einen, weil sich die Felder meiner Tätigkeit erweitert haben und ich sie vor allem denen klarer präsentieren möchte, die mich nicht kennen. Zum anderen, um diesem Blog unter dem Dach meiner Homepage eine Heimat zu geben. Ursprünglich wollte ich „On my Way” noch mit dem Zusatz „to Happiness“ versehen – klang mir dann jedoch zu sehr suchend. Außerdem kamen mir L. Ron Hubbard und Buddha in die Quere. Beide im gleichen Satz zu nennen, mag einem unangenehm aufstoßen, ist in diesem Fall aber schwierig zu umgehen. Also: Mit dem einen, Hubbard, möchte ich keinesfalls in Verbindung gebracht werden, aber blöderweise hat er vor Urzeiten ein Buch mit fast dem gleichen Titel geschrieben. Der andere, Buddha, ist mir mit seiner Lehre zwar deutlich näher, erklärt jedoch, es gäbe keinen Weg zum Glück. Glücklich sein sei der Weg.
Was gehört zu einem glücklichen Leben – und was nicht?
Buddha zu widersprechen, noch dazu bei seiner Kernkompetenz Glück, ist Majestätsbeleidigung. Als würde ich mit Roger Federer über die einhändige Rückhand diskutieren. Oder mit Jeff Bezos darüber, wie man sein Geld vermehrt. Die Sache ist nur: Seit ich mich mit dem Thema „Persönlichkeitsentwicklung” beschäftige – inzwischen gut und gern seit 15 Jahren – habe ich gelernt, dass es eben doch einen Weg zu beschreiten gibt, um sein Leben nachhaltig zu verändern. Ein Weg, auf dem es zunächst einmal darum geht, sich selbst kennenzulernen und eine eigene Definition des Glücks zu entwickeln. Was gehört für mich zu einem glücklichen Leben – und was nicht? Wer möchte ich sein, völlig gleichgültig, was andere von mir erwarten? Welche Werte sollen mir als Fundament dienen?
Raum für Reflexionen
Wie eine Wanderung auf den Kilimandscharo
Dieser Weg des Erforschens und Entdeckens offenbart Wunderbares über das Leben und kann phasenweise beschwerlich sein wie eine Wanderung auf den Kilimandscharo. Mal bei klarer Sicht, dann wieder ohne Kompass im dichten Nebel. Ich möchte auf dieser Seite nun regelmäßig von diesem Weg erzählen, über das Leben schreiben, darüber, was es für mich bedeutet, Mensch zu sein. Gedanken teilen, die mich beschäftigen. Erfahrungen, Erlebnisse und Erkenntnisse, die mich begeistern, bewegen und berühren. Von anderen Menschen berichten, deren Geschichten mir imponieren. Wie dieser Blog in einem Monat oder in einem Jahr aussehen wird, weiß ich nicht. Die Hauptsache ist: einfach mal anfangen.
Schluss mit der Selbstsabotage
Frei und ohne Vorgaben über das zu schreiben, was mich gerade bewegt, das hatte ich mir schon oft vorgenommen. Das erste Mal vor inzwischen mehr als elf Jahren. Ich tingelte zwischen der Schweiz, Österreich, Griechenland und Deutschland umher, arbeitete als Coach für mentales Tennistraining, absolvierte später eine weitere Coachingausbildung und blickte plötzlich anders und staunend auf mein Leben. Liebend gern hätte ich damals meine vielen wundersamen Erlebnisse in einem Blog festgehalten. Es fehlte nur die Zeit. Später, als ich als Reporter durch die Tenniswelt reiste und mir viele Jahre meinen Kindheitstraum erfüllen durfte, gehörte das Schreiben ohnehin zu meinem Tagesgeschäft, da war der Antrieb nicht mehr stark genug – wo kein Wille ist, ist eben doch kein Weg. Zugegeben: Zwischendurch mangelte es mir auch mal an Mut und Vertrauen. Selbstsabotage par excellance: Es gibt so viele Menschen, die über das Leben fabulieren, wer will jetzt auch noch meine Gedanken lesen? Schuster, bleib bei deinen Leisten, also bei Filzball und Schläger. Inzwischen denke und fühle ich anders, zum Glück.
Euphorie und Respekt, Zuversicht und Zweifel
Wer etwas Neues beginnt, und wenn es nur ein Blog ist, muss raus aus der Komfortzone. Sie verlassen zu lernen, ist eine lebenslange Aufgabe und gleichzeitig die wohl sicherste Methode, dem eigenen Leben durch neue Erfahrungen eine andere Intensität zu verleihen. Wenn die Überlieferung stimmt, sagte Meister Eckhart im späten Mittelalter einmal: „Und plötzlich weißt du: Es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen und dem Zauber des Anfangs zu vertrauen.“ Die letzten 35 Jahre haben mich zu einem Sachkundigen für Neuanfänge gemacht, manchmal freiwillig, manchmal auch nicht. Immer wieder durfte ich alle Facetten dieses Zaubers durchleben. Für mich vereinen sich darin Euphorie und Respekt, Zuversicht und Zweifel, Entschlossenheit – und zuweilen eine lähmende Angst vor der Ungewissheit. Wenn es aber wirklich zählt, dann entsteht plötzlich ein gesundes Urvertrauen und die tiefe Überzeugung: Scheitern wird niemals derjenige, der auf einem neuen Weg gegen Mauern rennt. Sondern höchstens der, der es aus Furcht vor den Mauern nie gewagt hat loszulaufen – und deshalb keine Tür finden konnte. Wie beim Lotto spielen: Gewinnen kann nur, wer einen Schein abgibt.
Herz an, Verstand aus – und rein in den Fluss des Lebens
Die Anleitung für erfolgreiche Neuanfänge geht ungefähr so: Herz auf Empfang, Verstand aus und dann mit einer Arschbombe rein in den Fluss des Lebens. Veränderungen voller Vertrauen als Chancen begreifen. Altes loslassen und mit den zwei freien Händen Neues greifen. Der Angst vor Ablehnung den Mittelfinger zeigen und zur Not sogar denen, die dich ablehnen! So ähnlich lehrt es auch Buddha, nur ohne Arschbombe und Mittelfinger. Eigentlich ganz einfach – und trotzdem nicht leicht. Unser Kritiker im Kopf (meiner hat einen Namen, aber dazu bei Gelegenheit mehr) souffliert uns so viele plausible Gründe, warum wir scheitern könnten. Er will uns weismachen, dass es im Leben eine Sicherheit gäbe, an der wir uns festkrallen sollten wie ein Kletterer in einer Felswand. Beim Blick in den Nachbars Garten ätzt er, das Gras sei dort immer etwas grüner als bei uns. Er liebt es, zu vergleichen, zu bewerten, zu urteilen. Und er hasst Neuanfänge. Die Komfortzone ist sein Paradies. Zu verstehen, wie der innere Kritiker tickt, ist der erste Schritt, um sich mit ihm anzufreunden. Also, einfach mal anfangen.
Nie passte es besser, mutig neue Wege zu gehen
Gibt es dafür eine bessere Zeit als ein Jahr, in dem sich unsere Welt auf den Kopf stellt und nichts mehr Gültigkeit zu besitzen scheint, was noch vor kurzem Normalität war? Manch einer mag meinen, das Jahr 2020 sei die ungünstigste Zeit, um dem Leben einen neuen Anstrich zu verpassen. Bloß nicht jetzt! Keinen Übermut! Luft anhalten, abwarten, bald ist alles wieder wie früher. Ich glaube: Vieles wird nicht mehr wie früher. Was nichts mit Schwarzmalerei zu tun hat, im Gegenteil. Corona beschleunigt lediglich Entwicklungen, die ohnehin unaufhaltbar wären. Deshalb passte es nie besser als jetzt, mutig neue Wege zu gehen.
Was soll mir das Wichtigste in meinem Leben sein?
Wenn die Pandemie mit all ihren schmerzhaften Folgen uns Menschen etwas lehren will, dann vielleicht in diese Richtung: Wir sollten endlich die Kostbarkeit unseres Lebens spüren, wertschätzen, was da ist – und nicht bejammern, was fehlt. In uns selbst die grenzenlosen Möglichkeiten für ein reiches Leben erkennen, anstatt unaufhörlich im Außen nach dem Glück zu greifen, das einem immer wieder wie ein Stück glitschige Seife durch die Finger zu rutschen scheint. Freilassen, was sich abgenutzt hat, nicht mehr stimmig anfühlt und stattdessen neue Pfade erkunden. Prioritäten hinterfragen, Gedanken sortieren, Gewohnheiten reflektieren. Einfach mal zeitvergessen dasitzen und Antworten finden auf Fragen wie: Was soll mir das Wichtigste in meinem Leben sein? Welchen Sinn will ich meinem Leben geben? Welche Träume möchte ich mir erfüllen, solange es noch möglich ist? Erlaube ich mir überhaupt noch zu träumen?
Dankbarkeit in einer anderen Dimension
Vor einiger Zeit stieß ich auf eine Reihe von Fragen, sie ploppten irgendwo im Netz auf und ihr Echo hallte eine ganze Weile nach: „Wenn dein Leben in einem Jahr vorbei wäre, würdest du alles so weitermachen wie bisher? Wenn nicht, was würdest du ändern?” „Wie kurz müsste der Rest deines Lebens sein, damit du noch heute etwas Neues ausprobierst – was wäre es?“ Und: „Worauf möchtest du eines Tages stolz zurückblicken?” Wunderbare Fragen, finde ich. Man schaut plötzlich wie durch ein Brennglas auf das eigene Leben. Nicht nur, weil man klar und deutlich erkennt, wo es an der Zeit ist, Raum für Neues zu schaffen. Nein, man lernt auch das Gefühl der Dankbarkeit in einer anderen Dimension kennen. Für all das, was man auf der Hatz durch den Alltag oft als Selbstverständlichkeit empfindet. Dazu zählen auch die eigenen Begabungen und die Kraft, mit der man die Herausforderungen des Lebens Tag für Tag meistert. So gut, wie es einem in diesem Moment möglich ist. Das Thema Selbstfürsorge ist bei vielen noch als Gefühlsduselei verschrien. Gerade deshalb möchte ich bei Zeiten auch darüber ausführlicher schreiben.
Wer öfter neu anfängt und sich dabei mehr nach dem Herzen ausrichtet als nach dem Verstand, entdeckt automatisch neue Seiten des Lebens. Neue und oft übersehene Perspektiven. Apropos Seiten: Vor einigen Tagen habe ich die Auftaktzeilen eines neuen Buches in meinen Rechner gehackt. Es soll ein Roman werden. Wovon er handelt, auch darüber erzähle ich irgendwann einmal mehr. Noch ein Neuanfang. Wann er fertig wird? Keine Ahnung. Aber ich dachte mir: einfach mal anfangen!
8 Comments
Schöne Gedanken, Felix!! Stehe gerade auch vor so einem neuen Schritt. Am Samstag weiß ich, ob es geklappt hat. Dir viel Erfolg mit dem blog und mit allem, was du dir derzeit vorstellst. Bis hoffentlich bald mal, Eva-Maria
Vielen lieben Dank, Eva-Maria! 🙂
Natürlich drücke ich auch Dir die Daumen!
Und ja: Hoffentlich bis bald mal wieder!
LG, Felix
“Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, …” – und ich kann ihn spüren!
Junge (!), Gratulation zu diesem Schritt und viel Glück auch auf diesem Deinen Weg, der sich soeben hinter der Tür mit der Aufschrift “www.FELIX-GREWE.de” offenbarte und der Beginn einer neuen Reise ist.
Bis zur nächsten Wegzweigung – wir sehen uns!
Danke, mein Lieber! 🙂
Sehr inspirierende Zeilen, lieber Felix. Ich gebe Dir zu 100% recht, dass es wahrscheinlich keinen besseren Zeitpunkt gibt, als jetzt den „Reset-Button“ zu drücken. Gott sei Dank muss ich Dir nicht wünschen, dass Du Deine Ziele so umsetzen wirst, wie Du Dir das vorstellst, denn ich weiss, dass Du es schaffst!
Danke, lieber Chester!!! Und hoffentlich bis bald mal wieder! 🙂
Lieber Felix, ich bin jetzt schon Fan dieses Blocks, deine Art zu schreiben ist so fesselnd und spannend 🙂
Wirklich so wahre Worte…. ☺️🤗
Danke für das Kompliment, Johanna! Das freut mich sehr! 🙂