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29. Januar 2025Die Schwarz-Weiß-Brille: Warum wir unsere Definition von Erfolg hinterfragen sollten
Warum unsere Definition von Erfolg viel darüber verrät, wie wir mit uns und unseren Mitmenschen umgehen – und weshalb wir vorsichtig sein sollten, wenn wir die Leistungen anderer bewerten.
Wir sollten weniger urteilen. Das wurde mir neulich wieder klar, als ich in der Umkleide meines Fitnessstudios einem Gespräch zweier Herren lauschte. Es ging um Alexander Zverev und seine Niederlage im Finale der Australian Open gegen Jannik Sinner. Der Tenor? Vernichtend.
Zum einen schienen die Männer genau zu wissen, warum es wieder nicht zum großen Titel gereicht hat – zu defensiv, zu viel lamentiert, kein Glaube an die eigenen Stärken. Zum anderen wirkten sie fast persönlich betroffen. Nach dem Motto: „Wie lange müssen wir denn noch warten, bis wir endlich mal wieder jubeln dürfen?!“ Die Unterhaltung klang, als ginge es um jemanden, der chancenlos, mutlos und lustlos in der ersten Runde ausgeschieden ist – und nicht um einen Spitzenathleten, der das Finale eines Grand Slam-Turniers erreicht und dort gegen die seit 21 Matches ungeschlagene Nummer eins der Welt verloren hat. Ich vermute: Hätte Zverev das Match gewonnen und sich endlich den Traum vom ersten Grand-Slam-Sieg erfüllt, wären die gleichen Herren vor Begeisterung nackt durch die Kabine getanzt.

Viele Extreme, wenig Zwischentöne
Die Schwarz-Weiß-Brille – ein Klassiker. Euphorie oder Entsetzen. Stolz oder Empörung. Erfolg oder Misserfolg. Alles wird in Extreme gepresst, für Zwischentöne bleibt kaum Platz. Erstrecht auf den verschiedenen Plattformen im World Wide Web. Es wird bewertet, beurteilt, verurteilt. Oft vorschnell und basierend auf einem Bruchteil der Informationen, die wir für eine fundierte Meinung bräuchten und für die wir häufig viel zu weit vom Geschehen entfernt sind.
Ja, Zverev misst sich selbst an seinen eigenen hohen Ansprüchen – und die Öffentlichkeit tut es auch, damit muss er als Profisportler zurechtkommen. Aber: Seine Erfolge sollten nicht weniger gewürdigt werden, nur weil ihm der ganz große Coup noch nicht gelungen ist. Er ist Nummer zwei der Welt, Olympiasieger, zweimaliger Weltmeister, hat sieben Masters-Titel gefeiert – trotz einer Diabetes-Erkrankung. Harsch kritisieren dürfte ihn deshalb höchstens jene Menschen, die dieses Schicksal teilen – und selbst auf einem ähnlichen Niveau Leistungssport betreiben. Überhaupt: Auch ohne den Sieg im Finale hat er in Melbourne viel gewonnen. Er hat Größe bewiesen, nicht nur sportlich, sondern auch menschlich. Seine Worte nach Djokovics verletzungsbedingter Aufgabe im Halbfinale zeugten von Reife. Er hadert inzwischen weniger, scheint seine Emotionen häufig besser zu kontrollieren und strahlt in engen Situationen mehr Ruhe und Selbstvertrauen aus. Er wirkt auch in Interviews nahbarer als früher – finde ich. Vielleicht, weil er in den letzten Jahren lernen musste, verletzlich zu sein.
Eine neue Definition von Erfolg
Die meisten Menschen messen ihren Erfolg an Ruhm, Einfluss und Respekt, an Siegen und Anerkennung anderer – nur wenige konfrontieren sich selbst mit der Frage: Was gewinne ich eigentlich, wenn ich gewinne? Und warum ist mir das Siegen so wichtig? John Wooden, ein ehemaliger amerikanischer Basketball-Coach, der auf College-Level in den 60er- und 70er-Jahren mehr Titel gewonnen hat als alle anderen Trainer, sagte einmal: „Erfolg ist der Frieden des Geistes, der das Ergebnis von Selbstachtung und dem Wissen ist, dass du dein Bestes gegeben hast.”
Der Sport ist oft ein Spiegel des Lebens. Stellen wir uns also einmal vor, wir würden auf allen Ebenen Erfolge anderer mehr feiern und Niederlagen weniger hart bewerten – wie könnte das unsere Stimmung und unser gesellschaftliches Miteinander verändern? Würden wir unseren Erfolg weniger an unseren Selbstwert koppeln? Uns erfolgreich fühlen, wenn wir glücklich sind – und nicht nur dann glücklich sein, wenn der Erfolg gegeben ist? Welche Probleme, die wir heute in der Welt haben, hätten wir dann möglicherweise nicht mehr? Würden wir grundsätzlich weniger bewerten und mehr beobachten? Erst recht weniger über Dinge urteilen, von denen wir keine Ahnung haben und uns stattdessen dort engagieren, wo wir wirklich etwas beitragen können?
Und würden wir anderen grundsätzlich mit mehr Empathie begegnen? Dann könnten wir vielleicht auch mit uns selbst nachsichtiger sein…