Wie sich Druck und Nervosität durch innere Ruhe reduzieren lassen – und warum Achtsamkeit beim Tennis viel mehr Aufmerksamkeit verdient.
Es gibt ein Zitat von Novak Djokovic, das nicht treffender beschreiben könnte, was Achtsamkeit beim Tennis bewirken kann. Es geht so: „Durch mein Achtsamkeitstraining funktioniert mein Gehirn inzwischen automatisch besser, auch wenn ich nicht meditiere. Früher erstarrte ich förmlich, wenn ich einen Fehler machte. Ich war überzeugt davon, dass ich nicht in derselben Liga spielte wie die Federers und Murrays dieser Welt. Wenn ich heute einen Aufschlag oder eine Rückhand vermassele, kommen die Selbstzweifel immer noch kurz hoch, aber ich weiß jetzt, wie ich mit ihnen umgehen muss: Ich nehme die negativen Gedanken zur Kenntnis, lasse sie los und konzentriere mich auf den Augenblick.“
Innere Ruhe als Basis für große Erfolge
Djokovic hat 23 Grand Slam-Turniere gewonnen. Er war länger die Nummer eins der Weltrangliste als jeder andere Superstar der Tennisszene. Der Serbe hat jedes der Masters-1000-Turniere mindestens zweimal gewonnen, was außer ihm niemandem gelungen ist. Längst nicht jeder liebt ihn für seine beeindruckenden Erfolge. Doch fast alle, ob Kollegen, Experten oder Fans, bewundern ihn für seine mentale Robusheit auf und neben dem Court. Klar ist: Sein Achtsamkeitstraining allein hat ihn nicht zu einem der erfolgreichsten Athleten der Welt geformt. Genauso sicher aber scheint: Ohne seine Fähigkeit, auch unter größtem Druck innere Ruhe zu bewahren, hätte er vermutlich einige außergewöhnliche Siege weniger errungen.
Eine Definition von Achtsamkeit
Einer, der sich seit vielen Jahren auf der wissenschaftlichen Ebene mit dem Thema Achtsamkeit befasst, ist Jon Kabat-Zinn. Der Amerikaner ist emeritierter Professor an der Universität von Massachusetts und unterrichtet dort Achtsamkeitsmeditation. Er engagiert sich seit Jahrzehnten dafür, das Thema auf Basis seiner eigenen und anderer wissenschaftlicher Untersuchungen fester in Medizin und Gesellschaft zu verankern. Kabat-Zinn hat auch das weltweit verbreitete Konzept „Mindful-Based-Stress-Reducation“ (MBSR) entwickelt, das Menschen einen gesünderen Umgang mit Stress vermittelt und in inzwischen sogar in Deutschland von vielen Krankenkassen empfohlen und bezuschusst wird. Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnete Stress einmal als „die Seuche des 21. Jahrhunderts“, als eine der größten Gefahren für die Gesundheit des Menschen.
Die Akzeptanz des Augenblicks
Als erwiesen gilt: Achtsamkeit kann psychische Belastungen lindern. Sie kann für Entschleunigung sorgen in einer von immer mehr Tempo geprägten, digitalen, hektischen Welt. Kabat-Zinn definiert Achtsamkeit folgendermaßen: „Achtsamkeit bedeutet, auf eine bestimmte Weise aufmerksam zu sein: bewusst, im gegenwärtigen Augenblick und ohne zu urteilen. Diese Art der Aufmerksamkeit steigert das Gewahrsein und fördert die Klarheit sowie die Fähigkeit, die Realität des gegenwärtigen Augenblicks zu akzeptieren.“
Die Wirkung von Achtsamkeit beim Tennis
Die Akzeptanz dessen, was ist, gehört zu den wichtigsten und gleichzeitig schwierigsten Herausforderungen – im Leben und auf dem Tennisplatz. Fehler abzuhaken, weil sie nicht mehr änderbar sind. Nicht mental zu entgleisen, nur weil die Vorstellung vom perfekten Spiel in der eigenen Wahrnehmung zu weit von der Realität entfernt liegt. Für viele Spielerinnen und Spieler ist Tennis nicht immer ein Ausgleich zum stressigen Alltag. Längst nicht alle empfinden die Welt zwischen den weißen Linien als Oase für die Erholung, als einen Zufluchtsort, der Vertrauen verspricht, wenn einem draußen alles zu viel wird. Der Druck ist oft immens. Gerade für viele erfolgreiche Geschäftsleute ist Tennis nur eine weitere von unzähligen Disziplinen, in denen sie von Konkurrenzgedanken getrieben mit ihrer Leistung überzeugen wollen. Tennis ist oft ein Spiegel des Lebens…
Achtsamkeit kann ein Weg sein, die psychischen Herausforderungen des Spiels, die in jeder Spielklasse immer bestehen werden, entspannter zu erleben. Den eigenen Körper bewusster wahrzunehmen und die reine Anwesenheit auf dem Platz mehr zu genießen. Gleichzeitig können Achtsamkeitsübungen außerhalb des Courts den unruhigen Geist zähmen und für mehr innere Ruhe und Ausgeglichenheit sorgen, wo vorher Hektik und Anspannung dominierten.
Drei Tipps für Achtsamkeit beim Tennis
Experimentiere, wenn du magst, mit den folgenden Übungen. Lass dich einfach drauf ein ohne Erwartungshaltung. Vielleicht bewirkt die Achtsamkeit etwas in deinem Spiel – vielleicht auch nicht. Probiere es aus!
Spüre deinen Treffpunkt. Wo auf deiner Schlagfläche triffst du den Ball? Vorn? Hinten? Oben? Unten? Oder im Sweetspot? Achte nur auf das Gefühl und nimm so genau wie möglich wahr, wo der Ball den Schläger berührt. Bewerte deinen Treffpunkt nicht, denn Beurteilungen führen zu mehr Gedanken und die stören dich in deiner Achtsamkeit.
Höre deinen Schlag. Achte beim auf den Sound des Balls in deinem Treffpunkt. Wie hören sich deine Schläge an? Kannst du das Geräusch eines Slice-Schlags von einem Topspin unterscheiden?
Spüre den Boden unter deinen Füßen. Ein Klassiker im Achtsamkeits-Training. Fühle, wie deine Füße den Boden berühren. Landest du mit dem ganzen Fuß auf dem Court? Zuerst mit dem Ballen oder der Ferse? Auf einer Skala von eins bis zehn – wie hart ist der Boden unter deinen Füßen?
Teile dieses Textes stammen aus meinem Buch “Enjoy your Game”, das ich gemeinsam mit Patrik Kühnen geschrieben habe. Mehr Infos gibt’s hier…
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[…] Was Achtsamkeit beim Tennis bewirken kann […]
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